Birgit Schierbeck

Supervisorin in Hamburg – DGSv zertifiziert

Birgit Schierbeck

Supervisorin in Hamburg – DGSv zertifiziert

Was ist Psychodrama – Definition

Psychodrama ist eine Methode, die in der Psychotherapie, Beratung und Sozialforschung Anwendung findet. Nachfolgend werden Grundannahmen, Handlungsansätze und Begriffsdefinitionen der Methode skizziert.

Begründer des Psychodramas ist  Jacob L. Moreno (1889 – 1974), der zunächst in Österreich und  später in den USA wirkte.

Grundannahmen und Handlungsansätze der Psychodrama-Methode

„Moreno begreift den Menschen als soziales Wesen, als ´Verbindung von Körper, Psyche und Sozietät´. Der Bezugsrahmen einer Person ist sein soziales Atom. Diese sozialen Beziehungen sind geprägt durch das gesellschaftliche Umfeld, die Zeit in der wir leben.“ (S.303; K. Weiß)

„Beim `Psycho´-`Drama` geht es um die Dramatisierung des `Psychischen´, also darum, Erinnerungen und Phantasien von szenischen Bildern aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in ein dramatisches Spiel umzusetzen, um die Wahrnehmung emotionalen Erlebens und körperlicher Aktion sowie die begleitende reflexive Einsicht im Hier und Jetzt zu Erfahrungen vitaler Evidenz zu verdichten, durch die Änderungen von Erkenntnis, Einstellungen und Handeln möglich werden.“ (S.104; Buer 2001,).

Für die Inszenierung der Wirklichkeit braucht es Freiheit und Distanz, die Bühne „[Der Bühnenraum] gibt die Erlaubnis zum Experimentieren. Der harte Griff der Realität, das Festhalten am gewohnten lockert sich. Das Einrichten des Raumes mobilisiert Gefühle und Erinnerungen.“ (S.44; K Witte) Auf der Bühne entsteht die Szene: „[Die Szene] bezeichnet eine zeitlich, räumlich und dramaturgisch abgrenzbare Handlungssequenz in einer bestimmten Situation.“ (S.285; F. Buer 1999). Die Szene wird gestaltet durch die oder den SupervisandiI / Protagonisten- unterstützt durch die Leitung /SupervisorIn. Über die Technik des Rollentausches mit einzelnen Beteiligten an der Szene ist einerseits gewährleistet, dass die entstehende Szene der Wahrheit der Protagonistin entspricht, gleichzeitig ermöglicht gerade der Rollentausch Wachstum, indem der Blickwinkel verändert wird. „Ein Gang zu zweit: Auge vor Auge, Mund vor Mund. Und bist du bei mir, so will ich dir die Augen aus den Höhlen reißen und an Stelle der meinen setzen, und du wirst die meinen ausbrechen und an Stelle der deinen setzen, dann will ich dich mit deinen und du wirst mich mit meinen Augen anschauen“ (1914) zitiert in Angewandtes Psychodrama in Therapie, Pädagogik und Theater/ Hilarion Petzold (Hrsg.) 4. Aufl. 1993 (1977) S.102

Mit der Technik des Rollentausches wird der/dem SupervisandIn / ProtagonistIn der Perspektivwechsel ermöglicht und „durch psychodramatischen Rollentausch [entsteht] ´Surplus-Realität´- erlebte Erfahrung“ (S.5; M Bell). Diese Erfahrung wird der Supervisanin/dem Protagonisten in zukünftigen Situationen zur Verfügung stehen und das Handeln in seinem/ihrem Sinne positiv beeinflussen. Auch Konflikte zwischen inneren Anteilen können dramatisiert werden und durch die Person zunächst als inneres Bild auf die Bühne gehoben, anschließend beobachtet sowie analysiert werden. Auf dieser Grundlage lassen sich mögliche Umstellungen erproben. „Durch die Externalisierung innerer (möglicherweise bisher un- bzw. vorbewusster) Anteile werden Konstellationen von Wirkmechanismen offen ersichtlich und können auf der Bühne experimentell erprobt bzw. möglicherweise auch verändert werden.“ (S.5; M. Bell)

Die hohe Bedeutung des Rollentausches als zentrales Erkenntnismoment findet seine Begründung in der Rollentheorie Morenos.

Der im Alltag vertraute Begriff der Rolle findet sich auch in einer Supervisionsbroschüre der DGSv wieder: „Rolle – Die berufliche Rolle als Summe der Erwartungen an eine Person in einem System ist ein gewichtiger Gegenstand der supervisorischen Beratung. Der Spannung zwischen unterschiedlichen beruflichen Rollen und Rollenerwartungen und der Ausprägung einer Rolle durch die jeweilige Person gehört die Aufmerksamkeit des Supervisors/der Supervisorin.“ (S.23; Broschüre Supervision; hrsg. v. d. DGSv).

Morenos Theorie und Begrifflichkeit geht weit über diese Definition hinaus. Morenos Vorstellung nach hat sich der Mensch über das Rollenhandeln entwickelt: „Das Selbst entwickelt sich aus den Rollen und kann als Rollensystem verstanden werden.“ (S. 322; G. Kasper) . Beim Rollenhandeln unterscheidet Moreno drei Formen: Physiologische oder leibliche Rollen (z.B. Schlafende, ArbeiterIn, LiebhaberIn), psychologische oder psychodramatische Rollen (z.B. LiebendeR, ZornigeR, TräumerIn) und die sozialen Rollen, die durch den sozialen, gesellschaftlichen, religiösen, wirtschaftlichen, historischen Kontext geprägt sind (z.B. EhepartnerIn, ErwachseneR). Wenn es dem Menschen gelingt sein oder ihr Rollenrepertoire zu erweitern, durch zusätzliche Rollen oder durch neues Verhalten in den Rollen, geht das mit einem persönlichen Wachstum einher. „Der besondere therapeutische Wert liegt dabei nicht nur in der Erfahrung und Erkenntnis des eigenen Rollenkonzeptes, sondern im Erkennen der eigenen Rollenerwartung (role ecxpectancy), in der Analyse des Rollenverhaltens (role analysis), im Ausüben des Rollenspiels (role play) und der Entwicklung neuer Rollenmöglichkeiten (role creation) und den Ausbau der Fähigkeit zur Rollendistanz.“ (S. 97, H. Petzold 1993).

Begriffsdefinitionen

Nach Ferdinand Buer ist Psychodrama ein Verfahren, das Handlungsansätze der Beziehungsarbeit bietet. (vgl. S.103 ; F. Buer 2001). Das Format beschreibt den institutionalisierten Rahmen für Beziehungsarbeit, sei es Training oder Supervision. (vgl. S.103; F. Buer 2001). Dieser Rahmen wird von der AuftraggeberIn bestimmt: „Ein Format dagegen ist wie die Szenerie, in der ich auftrete. Es schreibt Ort, Zeit, Kulissen, Requisiten und Handlungsmöglichkeiten vor. Der Beziehungsarbeiter ist für die Einrichtung einer Szenerie verantwortlich und er muss seinen Adressaten hinein locken und darin heimisch werden lassen.“ (S.11; F. Buer 2001) Unabhängig vom Format bietet Buer die Unterscheidung zwischen Arrangement und Technik in der Handhabung des Verfahrens Psychodrama an. Das Einsetzen von dramatischen Mitteln, z.B. das ProtagonistInspiel, erfasst er als Arrangement: „Das Arrangement ist ein theatralisches Mittel, das Spielräume eröffnet.“ (vgl. S.106,; F Buer 2001) Kleinere Angebote aus dem Handwerkskoffer, die eine bestimmte Operation ermöglichen, bezeichnet er als Technik (vgl. S.106; F. Buer 2001) In der Supervision finden vorrangig die kleineren Arrangements Anwendung: die Vignette, der leere Stuhl, das Standbild, die Skulptur, das Sozialatom, das Aktionssoziogramm, das Spektrogramm, die soziometrische Landkarte, das Rollenatom (vgl. S.108 F. Buer 2001). Bezüglich der Techniken unterscheidet Buer im Kontext der Supervision zwischen Untersuchungs-, Veränderungs- und Integrationstechniken (vgl. S.111 ff.; F. Buer 2001). Dazu zählen das Interview, aber auch der Monolog, das Doppeln, der Rollentausch, der Rollenwechsel, das Spiegeln als personenbezogene Interventionstechniken. Als Integrationstechniken gelten das Feedback, das Sharing, die Zusammenfassung und die Prozessanalyse (vgl. S.112ff. F.Buer 2001). Das Verfahren Psychodrama ist in diversen Formaten anwendbar. Ich verwende es sowohl im Training als auch in der Supervision.

Literaturverweise

Bell, Maren: „Psychodrama“ im Psychotherapeuten Forum Heft 4/2003.

Buer, Ferdinand „Praxis der Psychodramatischen Supervision. Ein Handbuch.“ Ferdinand Buer Hrsg. Leske+Budrich, Opladen 2001

Buer, Ferdinand Methoden der Supervision – psychodramatisch angereichert. in „Praxis der Psychodramatischen Supervision. Ein Handbuch.“ herausgegeben von Ferdinand Buer

Buer, Ferdinand: „Lehrbuch der Supervision. Der pragmatisch-psychodramatische Weg zur Qualitätsverbesserung professionellen Handelns. Grundlegung – Einstiege – Begriffslexikon“ Münster: Votum 1999

Fortmeier, Paul: „Training. Probehandeln mit hohem Realitätswert. In Kernkompetenz: Supervision. Ausgewählte Formate der Beratung in der Arbeitswelt.“ Hrsg von der DGSv im Februar 2010

Kasper, Gotlind in: „Variationen des Psychodramas. Praxishandbuch – nicht nur für  Psychodramatiker“ Hrsg. R. Bosselmann, E. Lüffe-Leonhardt, M. Gellert; Limmer Verlag, 2. Aufl.Meezen1996

Petzold, Hilarion: „Angewandtes Psychodrama in Therapie, Pädagogik und Theater“ Junfermann Verlag, 4 Aufl. Paderborn 1993